Johnny, neugierig, sportlich, agil, vielleicht sogar ein bisschen agiler als gleichaltrige Artgenossen, hatte gerade seinen ersten Geburtstag gefeiert. Zur Feier des Tages gab es für ihn und seine Kumpels nicht nur ein extra Nüsschen (natürlich für jeden eins), sondern sogar ein nagelneues Freilaufgehege. Mit seinen über zwei Quadratmetern bot es Platz für ein zusätzliches Laufrad, diverse Röhren, Äste, eine Buddelecke mit viel Heu und Stroh, und das Beste, so fand Johnny nach ausgiebiger Inspektion, auch durchgehende Strecken zum Rennen. Endlich konnte er Sprints einlegen, ohne dafür das Laufrad, um das sich im Übrigen ständig die anderen stritten, nutzen zu müssen. In seinem Käfig war ihm das nicht möglich, nach wenigen Sprüngen blockierte stets ein Hindernis den Weg oder das Käfigende war erreicht.
Ein paar Tage vergingen, in denen Johnny sich mit seinem neuen Revier vertraut machen und die Vorzüge schätzen lernen konnte. Dann kamen seine Halter auf die Idee, die Einrichtung umzustellen. Alles wirkte neu, spannend und musste wieder erkundet werden. Auch das Häuschen, das nun die Einrichtung ergänzte. Von hier aus hatte man einen guten Blick in und über das Gehege. Und der Rand war plötzlich so nah. Es zuckte Johnny in den Pfoten bis schließlich die Neugierde siegte. Die Geräusche und Gerüche „da draußen“ hatten ihn schon lange gelockt. Die ersten drei Anläufe misslangen, doch beim vierten bekam er den Rand zu fassen und konnte sich schließlich hochziehen. Schon war er draußen!
Das Freigehege war ihm anfangs schon groß vorgekommen, doch das, was nun vor ihm lag, war dagegen riesig. So viele verschiedene Untergründe, so viele Verstecke. Und schier unbegrenzter Platz zum Rennen. Johnny konnte sein Glück kaum fassen. Und schon ging es los. Hier schnüffeln, dort kurz nagen. Wonach wohl dieses schwarze Ding schmeckte, das sich da auf dem Fußboden langschlängelte? Der Drang war zu groß, nur ein kleiner Bissen. Igitt, ungenießbar! Weiter ging’s! Und was war das da, dieses Ding, das sich irgendwie so anfühlte wie seine Kumpels. Konnte man das fressen? Besser nicht, da hatte man das Mäulchen hinterher bestimmt auch voller Haare. Aber das da, das Grüne, das war doch bestimmt fressbar. Das sah doch genauso aus wie das Futter, das alle 2-3 Tage in den Käfig gelegt wurde. Und ein kleiner Snack wäre jetzt zur Stärkung genau das Richtige. Herzhaft biss er hinein. Aus einem Bissen wurden zwei, aus zwei wurden drei. Irgendwann gewann die Abenteuerlust wieder die Oberhand und Johnny erkundete weiter sein neues Umfeld. Er konnte kaum fassen, was ihm bis dato vorenthalten geblieben war. Da gab es so viele Höhlen, Versteckmöglichkeiten und Aussichtspunkte! Für einen gerade einmal einjährigen Degu war das das Paradies. Ein Vergnügen, das niemals enden dürfte.
Doch alle schönen Dinge enden irgendwann. Meist viel zu früh und viel zu abrupt. Johnny war gerade dabei, die Sofalehne zu erkunden und das nächste Ziel anzuvisieren, als seine Halterin nach Hause kam. Nach einer kurzen Schrecksekunde reagierte sie geistesgegenwärtig und schloss die Zimmertür. Johnny direkt einzufangen war unmöglich, das wusste sie aus der Vergangenheit. Dafür war er viel zu flink, viel zu sprunghaft und unberechenbar. Also musste sie erst einmal die Gefahrenquellen entschärfen. Die elektrischen Geräte wurden vom Strom getrennt, die Balkontür geschlossen. So gut es ging, blockierte sie die möglichen Verstecke unter den Schränken. Gleichzeitig bot sie dem kleinen Ausbrecher aber ein neues Versteck und leckeres Futter an. Nun hieß es warten und hoffen, dass der Hunger größer als die Neugierde wurde.
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Was ist schiefgelaufen? Die Absperrung des Geheges war mit gut 60 cm zu niedrig angesetzt. Gerade junge, sportliche Degus benötigen deutlich höhere Absperrhöhen, 100 cm sollten es hier durchaus sein. Häuschen, Röhren, Äste bzw. allgemein jede Art von Gegenstand, auf den ein Degu klettern kann, sollte nicht direkt an der Absperrung aufgestellt werden.
Unser kleiner Held hatte mächtig Glück auf seinem Ausflug! Das Stromkabel steckte nicht in der Steckdose und die Pflanze entpuppte sich als harmlose Grünlilie. Wie anders hätte die Geschichte wohl geendet, hätte er ein stromführendes Kabel angenagt oder eine der vielen giftigen Zimmerpflanzen probiert? Wäre seine Halterin später nach Hause gekommen oder hätte sie ihn nicht rechtzeitig bemerkt, hätte er auch auf den Balkon und von dort eventuell ganz nach draußen entwischen können.
Die Liste an Dingen, die für einen frei in der Wohnung laufenden Degu (gewollt oder ausgebrochen) zur Gefahr werden können, kann unbegrenzt weitergeführt werden: Heizungen, Waschmaschinen, Sofas, andere Haustiere, offene Toilettendeckel, Zimmertüren (wer rechnet schon mit einem Degu dahinter?), offen gelassene Haus- bzw. Wohnungstüren (z.B. beim Reintragen der Einkäufe), Lebensmittel (Schokokrümel, Chipsreste unterm Sofa u.a.), … Leider werden nicht alle ausgebrochenen Degus wiedergefunden.
Wer seinen Degus Freilauf anbieten möchte, sollte dies genau planen. Grundsätzlich kann zwischen Dauerausläufen mit permanentem Zugang und Freilauf nur unter Aufsicht unterschieden werden. Die Absperrung sollte bei beiden Varianten hoch genug und absolut ausbruchsicher sein. Um aber sicher zu verhindern, dass nicht doch mal ein kleiner Johnny ausbricht, ist zumindest beim Dauerauslauf eine Abdeckung empfehlenswert.
In unserem Infoblatt „Degus einfangen“ haben wir einige Tipps zum Thema zusammengestellt, falls doch einmal ein Degu außerhalb seines Käfigs eingefangen werden muss: Degus einfangen
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Dieser Krimi ist auch als PDF verfügbar: Johnny und die große Freiheit