Häuser mit einem Eingang

Herberts Herz pochte wie wild. Sein kleines Näschen zuckte aufgeregt.

Es war ein Eindringling in seinem Reich!

Herbert war kein mutiger Degu und so zog er sich in sein schönes, wohliges Häuschen zurück. Dieses hatte er ganz wunderbar mit Hanfmatten und Heu ausgestattet. Und es hatte nur einen Eingang. Herbert würde den Eindringling kommen sehen.

Und er sah ihn kommen. Herbert drückte sich ängstlich in die hinterste Ecke des Häuschens und versuchte, sich unsichtbar zu machen.
 Der fremde Degu füllte den einzigen Eingang komplett aus.

Dieser Degu war so groß! Herbert hätte schwören können, dass er mindestens doppelt so schwer war wie er selbst.

Der Eindringling schlug mit seinem Schwanz auf den Boden. Drohend knirschte er mit den Zähnen.

Er kam immer näher auf Herbert zu. Schritt für Schritt. Schwanzschlag für Schwanzschlag.

Panik übermannte Herbert. Er konnte nicht weiter zurückweichen. Doch würde er den Fremden überrumpeln und zum Ausgang sprinten können? Herbert bezweifelte es.

Doch was sollte er tun? Ihm blieb keine andere Möglichkeit.

Und so lief er, versuchte an dem großen, starken Männchen vorbeizuhuschen. Doch dieses war darauf vorbereitet und fing Herbert ab.

Ein wilder Kugelhaufen bildete sich, Fellbüschel flogen durch das kleine Häuschen, bis Herbert plötzlich einen schmerzerfüllten Schrei ausstieß.

Dadurch hielt der Fremde kurz inne, was Herbert ein paar Sekunden Zeit verschaffte, in denen er zum Ausgang laufen konnte. Und tatsächlich schaffte er es! Er war aus dieser Hölle entkommen.

Doch der Fremde war immer noch in seinem Revier! Aber Herbert war angeschlagen, das spürte er. Sein linkes Hinterbein tat höllisch weh, eine tiefe Wunde klaffte auf seinem Rücken und sein linkes Auge war bereits jetzt komplett zugeschwollen.

Aber er lebte. Und er kannte sich aus, hier in seinem Revier. Er kannte alle Versteckmöglichkeiten. Und zu seinem sichersten Versteck humpelte er nun. Mit einem schmerzerfüllten Seufzer ließ er sich in das Bett aus Heu sinken und schloss die Augen.

Nur ein bisschen ausruhen, dachte er sich.

Nur ein bisschen die Wunden lecken.

Nur ein bisschen schlafen.

——

Herbert hatte Glück, denn seine Besitzerin fand ihn in seinem Heubett und brachte ihn sofort zu einem guten, degu-erfahrenen Tierarzt. Dieser versorgte die Wunden von unserem Degu-Bub und schaffte es sogar, dessen Augenlicht zu retten.

Lediglich ein minimales Humpeln erinnert noch an den Tag, an dem Herbert von dem anderen Degu angegriffen wurde.

Vielleicht hätte dieser überstürzte Vergesellschaftungsversuch für Herbert gar nicht so schlimm geendet, wäre es ein Häuschen mit zwei Eingängen gewesen. Denn dann hätte Herbert fliehen können.

Deshalb empfehlen wir, nur Häuser mit mindestens zwei Eingängen im Käfig zu haben. Jeder Degu muss immer die Möglichkeit haben, vor einem Streit fliehen zu können.

Sind aber auch Häuser mit nur einem Eingang vorhanden, sollten diese bei einer Vergesellschaftung und instabilen Gruppen vorübergehend aus dem Käfig entfernt werden.

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Dieser Krimi ist auch als PDF verfügbar: Häuser mit einem Eingang