Nachdem Degus keinesfalls alleine gehalten werden dürfen, kommt man manchmal nicht um eine Vergesellschaftung herum.
Vor einer Vergesellschaftung sollte man sich über folgende Punkte Gedanken gemacht haben:
- Ist eine Vergesellschaftung überhaupt nötig? Ist die Gruppe so wie sie ist nicht vielleicht glücklicher und nur man selbst als Halter möchte eine größere Gruppe? Diese Frage stellt sich natürlich nicht bei einem Einzeltier! Hier ist eine Vergesellschaftung zwingend nötig!
- Liegen bereits genug Erfahrungen mit dem Verhalten der Degus vor, um sich eine Vergesellschaftung zutrauen zu können?
- Was passiert, wenn die Vergesellschaftung nicht klappt? Ist Platz für eine zweite Gruppe oder kann der neue Degu wieder ins ehemalige Zuhause gebracht werden?
- Ist der Käfig für eine größere Gruppe überhaupt groß genug?
Auch die Wahl des passenden neuen Tieres für die Gruppe bzw. für ein Einzeltier muss gut überlegt sein. So sollte beispielsweise zu einem sehr dominanten Tier nach Möglichkeit kein zweites sehr dominantes Tier vergesellschaftet werden.
Ein Kastrat harmoniert in den meisten Fällen sehr gut mit Weibchen! Es darf allerdings immer nur ein kastriertes Männchen in einer Weibchengruppe vorhanden sein!
Grundsätzlich empfiehlt es sich, einen Altersunterschied von +/- 2 Jahren nicht zu überschreiten. So ist gesichert, dass die Interessen und das Energielevel der Tiere auf einer Ebene sind. Ein zu hoher Altersunterschied bedeutet für die Degus häufig Stress oder Langeweile.
Eine Vergesellschaftung mit ganz jungen Tieren klappt oft erstmal besser, allerdings verschiebt sich die Festlegung der Rangfolge auf einen späteren Zeitpunkt, nämlich wenn die Jungtiere in die Flegelphase kommen. Es kann somit auch noch nach Monaten des friedlichen Zusammenlebens zu schweren Kämpfen und Verletzungen kommen. Nicht selten muss eine Gruppe getrennt und neu vergesellschaftet werden.
Wir möchten eindringlich darauf hinweisen, dass fremde Tiere unter keinen Umständen einfach mit den eigenen zusammengesetzt werden dürfen. Eine Zusammengewöhnung benötigt Fingerspitzengefühl, Zeit und häufig auch viel Geduld. Am besten lässt man Neuankömmlingen erst einmal Zeit, in ihrem neuen Revier (alte Einstreu mitnehmen, wenn möglich) „anzukommen“ und ermöglicht ihnen allenfalls Schnupperkontakt zu den eigenen Tieren. Dafür eignet sich ein doppeltes, senkrechtes Trenngitter aus nagesicherem Draht (z.B. Casanet), das mit einem Abstand von 2-3 cm zueinander auf einen Holzrahmen getackert oder geschraubt wird. Die Tiere haben so die Möglichkeit, ihre Artgenossen bereits wahrzunehmen und mit ihnen zu kommunizieren, können sich im Fall von Aggressionen jedoch nicht verletzen.
Wichtig ist, dass der komplette Käfig für die ganze Zeit der Vergesellschaftung zur Verfügung gestellt wird. Auf einer der mittleren Etagen muss dabei natürlich das Trenngitter angebracht sein. Zu wenig Platz kann bei Degus zu Unzufriedenheit führen und die Vergesellschaftung zusätzlich bzw. unnötig erschweren.
Wenn die Tiere am Trenngitter friedlich sind, kann nach einigen Tagen der Eingewöhnung begonnen werden, die Sandbäder oder, bei zutraulicheren Tieren, die Käfigabteile zu tauschen. Auf diese Weise vermischt sich der Geruch der eigenen mit dem der “neuen” Gruppe. Dies ist hilfreich, weil die Tiere einander „riechen lernen“, was eine spätere Begegnung ohne Trenngitter einfacher macht, da kein Tier mehr ein offensichtlicher Eindringling ist, der vertrieben werden muss. Ganz wichtig dabei ist, dass der Käfig nur wenig gereinigt wird, um den entstehenden Gruppengeruch zu erhalten. Wenn der Käfig doch gereinigt werden muss, sollte dies auf ein Minimum beschränkt und nur in den eindeutigen „Pinkelecken“ die Einstreu ausgetauscht und immer einen möglichst großen Teil der alten Streu weiterverwendet werden. Um die Tiere an die Gegenwart ihrer Artgenossen zu gewöhnen, bietet es sich an, am Trenngitter zu füttern und die Schlafplätze dort einzurichten. Natürlich halten sich Degus nicht unbedingt daran, aber einen Versuch ist es wert.
Es empfiehlt sich, die Seiten mehrmals zu tauschen, wobei am Anfang der Trenngitterphase die Tauschintervalle einen Abstand von 10 bis 14 Tage betragen sollten. Verhalten sich die Tiere nach dem Seitentausch aggressiv, sollten die Intervalle so beibehalten, ggf. sogar verlängert werden. Reagieren die Tiere friedlich oder gleichgültig aufeinander, können die Intervalle verkürzt werden.
Für den Deguhalter bedeutet diese Trenngitter-Phase eine große Aufgabe. Das Verhalten der Tiere muss genau beobachtet und beurteilt werden. Reagieren die Tiere aggressiv auf die Artgenossen (z.B. erkennbar am Zähne klappern, Schwanz schlagen oder Gitter reißen), springen sie das Gitter an und wollen sie die anderen Tiere ganz offensichtlich angreifen, ist weiterhin Geduld und Seitentausch gefragt. Wenn die Tiere jedoch freundlich aufeinander reagieren, vielleicht miteinander zwitschernd am Gitter kommunizieren, kann man den nächsten Schritt einer Zusammenführung wagen. Vorsicht: Auch jetzt gibt es noch keine Garantie, dass das tatsächliche Zusammentreffen freundlich verläuft.
Bevor es zur eigentlichen Vergesellschaftung kommt, sollte sichergestellt sein, dass beide Gruppen satt und zufrieden sind.
Am besten werden auch alle Einrichtungsgegenstände entfernt, an denen sich die Tiere verletzen oder in die Enge treiben können. Auch Gegenstände, welche ein Eingreifen des Halters erschweren, sollten aus dem Käfig genommen werden. Dies ist wichtig, damit im Falle einer Eskalation rasch gehandelt und schlimme Verletzungen verhindert werden können.
Nachdem man sich als Halter bissfeste Handschuhe bereitgelegt hat, wird das Trenngitter entfernt. Bei größeren Käfigen kann auch erst einmal nur ein Teil des Käfigs zur Verfügung stehen.
Die Degus müssen jetzt miteinander ausmachen, wer den Chefposten innehaben wird. Oft wird in den ersten 30 Minuten nach dem Entfernen des Trenngitters bereits geputzt und gekuschelt, aber man sollte sich nicht täuschen lassen. Es kann sowohl nach 30 Minuten oder auch nach erst ein paar Stunden des friedlichen Zusammenseins noch zu Streitigkeiten kommen. Nur in sehr seltenen Fällen geht eine Vergesellschaftung ohne Rangeleien und kleinere Streitigkeiten vonstatten. Boxkämpfe und Dominanzverhalten sind daher vollkommen normal. Es ist jedoch darauf zu achten, dass kein Degu übermäßig stark gejagt wird und dass es nicht zu bösen Auseinandersetzungen kommt, bei denen sich die Tiere ineinander verbeißen und als Fellkugel durch den Käfig fliegen, ohne voneinander abzulassen. Geschieht dies, muss eingegriffen und die Tiere getrennt werden. Oft reicht schon ein lauter Ausruf, damit die Degus ihren Kampf abbrechen – falls nicht, muss der Halter dazwischen gehen. Dabei sollten auf jeden Fall die bereitgelegten Handschuhe getragen werden, denn ein Degubiss ist schmerzhaft.
Eine Vergesellschaftung wird erst abgebrochen und die Tiere wieder getrennt, wenn die Situation vollständig eskaliert und es zu bösen Verletzungen kommt. Kratzer und kleine Bisswunden (die aber durchaus bluten können) kommen leider häufig vor und sind die typischen „blauen Flecke“. Bei einfachen Rangkämpfen geben sich die Tiere immer wieder kurze Verschnaufpausen, die einzelnen Kampfsequenzen können mehrere Sekunden dauern, aber nicht länger. Hier sollte im Allgemeinen nicht getrennt werden, weil die Rangordnung früher oder später ausgefochten werden muss. Jedoch sollte jemand in der Nähe sein, um im Ernstfall sofort eingreifen zu können.
Tiefe Wunden und dauerhafte Jagden ohne „Verschnaufpausen“ über einen langen Zeitraum sind jedoch Zeichen, die Vergesellschaftung zu stoppen – zum Wohle der Tiere. Schließlich sperren wir die Degus in ein Revier, aus dem sie selbst nicht fliehen können. In der freien Wildbahn würde sich das unterlegene Tier nach einem verlorenen Kampf zurückziehen, um nicht bis zum Tod kämpfen zu müssen. Diese Möglichkeit wird den Tieren in der Heimtierhaltung jedoch genommen, so dass der Halter einen Ausweg bieten muss.
Jede Vergesellschaftung ist so individuell ist wie jeder einzelne Degu. Bei Unsicherheit sollte man sich direkt an eine in Vergesellschaftungsfragen erfahrene Person (z.B. auf unserer Internetseite im Bereich Über uns / Aktive) wenden, die dann entweder telefonisch oder im Idealfall direkt vor Ort die Lage begutachten und einschätzen kann.
Wenn die Tiere anfangen, einander zu putzen, miteinander zu zwitschern oder nebeneinander zu schlafen, kann aufgeatmet werden – jedoch ist es auch dann noch nicht ganz überstanden. Während der ersten Tage nach einer Vergesellschaftung muss die Gruppe weiterhin sehr gut beobachtet werden, weil es auch dann noch zu Streitigkeiten kommen kann.
Nach einer erfolgreichen Vergesellschaftung sollte der Käfig nach Möglichkeit für eine längere Zeit nicht zu viel/nur teilweise gereinigt werden, um das neue Gruppengefüge durch Wegputzen des gemeinsamen Gruppengeruchs nicht zu gefährden. Pinkelecken und grobe Verunreinigungen dürfen gereinigt werden, damit es nicht zu stinken anfängt.
Ebenso sollte für einen Zeitraum von ungefähr 6 Monaten keine weitere Vergesellschaftung stattfinden, da sich die neu entstandene Gruppe erst festigen muss. Dies gilt natürlich nicht, wenn nach einer Vergesellschaftung ein Tier aus einer Zweiergruppe stirbt. Das Einzeltier darf und muss dann natürlich schnellstmöglich einen neuen Partner bekommen.
Auch wenn die Methode, die wir hier vorstellen, sehr langwierig und kompliziert erscheint, raten wir dringend davon ab, andere, angeblich schnellere Vergesellschaftungsmethoden anzuwenden.
Ein Einreiben der Degus mit Duftstoffen oder ätherischen Ölen, um ihren Eigengeruch anzugleichen, sollte auf keinen Fall erfolgen. Das funktioniert zum einen nur vorübergehend. Zum anderen bedeutet es für die Tiere viel Stress. Auch sind mögliche Gesundheitsrisiken, wenn die Tiere im Rahmen der Fellpflege die Substanzen aufnehmen, nicht auszuschließen.
Eine weitere Methode, von der wir dringend abraten, weil sie eine für die Tiere extreme Belastung darstellt, ist die viel propagierte „Kleinstraummethode“, bei der die Degus zusammen auf engem Raum eingesperrt werden, zum Beispiel in einen Transportbehälter. Abgesehen von den hochkochenden Emotionen, wenn fremde Tiere aufeinandersitzen, bedeutet die Kleinstraummethode höchsten Stress. Darüber hinaus ist es durchaus möglich, dass die Degus einander dabei beißen und schwer verletzen. Auch kann es passieren, dass die scheinbare Harmonie danach nicht von langer Dauer ist.
Oberstes Gebot bei Zusammenführungen ist immer das Wohl der Degus im Auge zu behalten und grundsätzlich eher zu vorsichtig als zu rasch vorzugehen. Generell bedeutet jede Zusammenführung Stress, weil die Tiere einen Kampf austragen müssen oder es zumindest zu Rangeleien kommt, um die Rangfolge abzuklären. Nur in Einzelfällen gibt es bei Degus „Liebe auf den ersten Blick“. Auch sonst gilt, dass in eine harmonische, bestehende Gruppe nur in absoluten Ausnahmefällen eingegriffen werden sollte. Ein langjähriger Grundsatz der Deguhaltung lautet, „never touch a running system“ – greife nie in ein funktionierendes Gruppengefüge ein.
Wenn man sich das vor Augen führt, dann ergibt sich logisch, dass Vergesellschaftungen eher die Ausnahme und keinesfalls die Regel sein sollten, weil eine Hierarchie ein äußerst sensibles Gefüge ist, das am besten weitestgehend in Ruhe gelassen wird.
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