Zahnprobleme bei Degus

Liebe Leser, 

der nachfolgende Text soll einen groben Einblick in die sehr komplexe Thematik von Zahnproblemen bei Degus geben und dabei helfen, diese frühzeitig zu erkennen und in Absprache mit einem Tierarzt entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Er ist nicht als Aufruf zu verstehen, eigenmächtig Diagnosen zu stellen und Behandlungen zu beginnen. 

Das Degugebiss

Degus gehören zu den Nagetieren. Ihr vollständiges Gebiss hat insgesamt 20 Zähne. In jeder Kieferhälfte gibt es vier Backenzähne und einen Schneidezahn. Eckzähne haben Degus nicht. Ihre vier Schneidezähne sind zu kräftigen Nagezähnen ausgebildet und auch bei geschlossenem Maul teilweise von außen sichtbar (Abb. 1 und 2). Bei ausgewachsenen Tieren haben gesunde Degu-Nagezähne eine kräftige gelbe bis orange-gelbe Färbung. Bei Jungtieren sind sie noch heller. Die Backenzähne sind Mahlzähne (wie auch bei uns Menschen) und in der Regel nicht von außen sichtbar. Die Schneidezähne dienen einer groben Zerkleinerung der Nahrung in mundgerechte Stücke (und zum Leidwesen vieler Besitzer auch zum Benagen von Käfig und Einrichtung), die Backenzähne zermahlen die Nahrung sodass sie mit Speichel vermengt einen Brei ergibt. Deguzähne wachsen ein Leben lang und müssen sich daher ständig abnutzen und genau da liegt die Wurzel allen Übels. 

Abb. 1: Deguschädel mit vollständigem Gebiss
Abb. 2: Degu mit kräftig orange-gelb gefärbten Schneidezähnen bei geschlossenem Maul

Was sind Zahnprobleme?  

Zahnprobleme gehören zu den häufigsten Erkrankungen bei Degus und können ganz unterschiedlich aussehen. Viele Zahnprobleme begünstigen sich gegenseitig und treten daher oft gemeinsam auf. Hier eine Liste der häufigsten Zahnprobleme und wie sie miteinander in Verbindung stehen können.

Zahnspitzen

Nutzen sich Zähne unvollständig ab, führt das über kurz oder lang zu Überständen aus Zahnschmelz am Zahnrand. Diese Überstände können nadelspitz sein und schmerzhafte Läsionen an der Zunge und den Schleimhäuten verursachen. Im Oberkiefer bilden sich Zahnspitzen tendenziell nach außen, also Richtung Wange, im Unterkiefer dagegen bilden sich Zahnspitzen eher nach innen, also zur Zunge hin. In Extremfällen kann das dazu führen, dass sich die überstehenden Zahnränder treffen, was die Zunge in ihrer Beweglichkeit extrem einschränkt. Man spricht dann von einer Zahnbrücke. (Abb. 3)

Fehlstellungen 

Zahnfehlstellungen können angeboren oder erworben sein. Schlechte Mineralisierungen des Kieferknochens können Fehlstellungen nach sich ziehen. Wachsen Zähne schief, begünstigt das die Bildung von Zahnspitzen oder kann zu zu langen Zähnen führen. Bei den unteren Schneidezähnen kommt es häufig zu einer VStellung (Abb. 3), die zu verminderter Beißkraft und unzureichender Abnutzung der Schneidezähne führen kann. 

Abb. 3: Unterkiefer eines Degus mit gesundem Gebiss (links), Unterkiefer eines Degus mit beginnender Brückenbildung der Backenzähne und V-Stellung der Schneidezähne (rechts)

Entzündungen

Entzündungen können beispielsweise an den Schleimhäuten, dem Zahnfleisch oder der Zunge auftreten. Sie können aufgrund von Zahnproblemen entstehen und auch zu Zahnproblemen führen. Entzündungen können z.B. infolge von Schleimhautverletzungen durch Zahnspitzen entstehen. Entzündungen sind generell schmerzhaft und können dazu führen, dass das betroffene Tier weniger frisst und die Zähne zu lang werden oder dass es einseitig kaut, was wiederum Zahnspitzen begünstigt. 

Abszesse

Abszesse sind abgekapselte Eiteransammlungen, die durch Entzündungen entstehen können. Sie können an Weichteilen auftreten aber auch am Kieferknochen. Abszesse können über die Blutbahn streuen. In jedem Fall muss ein Abszess behandelt werden. Andernfalls kann es zu einer Sepsis kommen, die lebensgefährlich ist. Abszesse am Kieferknochen sind schwer zugänglich und daher schwer zu behandeln. Sie sprechen schlecht oder gar nicht auf Antibiotika an und zersetzen im schlimmsten Fall die Knochensubstanz (Abb. 4), mitunter bereits wenn der Abszess nach außen noch nicht sichtbar ist. 

Abb. 4: (Mit freundlicher Genehmigung der Tierklinik Germersheim) Dorsoventrale Röntgenaufnahme des Kopfbereichs eines Degus mit Kieferabszess mit intaktem Unterkiefer auf der nicht betroffenen Seite (1) und fortgeschrittener Auflösung des Unterkiefers auf der betroffenen Seite (2)

Zu lange Zähne

Ein häufiges Problem ist, dass die Zähne insgesamt zu lang werden, etwa durch eine Fehlstellung, schlechte Abnutzung oder unzureichende Futteraufnahme aufgrund schmerzhafter Entzündungen. Hier gerät man schnell in einen Teufelskreis, denn mit zu langen Zähnen wird das Fressen schwieriger, was zu einer verminderten Futteraufnahme und damit zu weniger Abnutzung und noch längeren Zähnen führt. (Abb. 5, 6 und 9)  

Abb. 5: Deguschädel (frontal) mit einwandfrei abgenutztem Gebiss (links) und stark verlängerten Backen- und Schneidezähnen (rechts)

Abb. 6: Deguschädel (seitlich) mit einwandfrei abgenutztem Gebiss (links) und stark verlängerten Backen- und Schneidezähnen (rechts)

Zahnverlust und lockere Zähne

Zum Verlust eines Zahns kann es auf verschiedene Weise kommen. Beispielsweise durch ein Trauma in Folge eines Unfalls/Sturzes. Auch durch Abszesse können sich Zähne lockern oder ausfallen. Ebenso durch eine schlechte Mineralisierung des Kieferknochens.  Da lockere Zähne Schmerzen beim Kauen verursachen und fehlende Zähne die Abnutzung gegenüberliegender Zähne beeinträchtigen können, führen auch lockere und fehlende Zähne häufig zu weiteren Problemen. 

Retrogrades Zahnwachstum

Bei vielen Zahnpatienten kommt es vor, dass die Zähne nicht nur Richtung Mundhöhle, sondern in die andere Richtung, also in den Kiefer hinein wachsen. (Abb. 8 und 9) Dieser Prozess ist extrem schmerzhaft. Wie es zu retrogradem Zahnwachstum kommt, ist nicht abschließend geklärt. Oft lässt sich auch im Nachhinein nicht mehr feststellen, ob es Ursache oder Folge anderer Zahnprobleme war. Zu lange Zähne können retrogrades Zahnwachstum begünstigen, da beim Kauen dann der Druck auf die Zähne steigt. In jedem Fall begünstigt retrogrades Zahnwachstum die Bildung von Kieferabszessen. Außerdem kann es schnell dazu kommen, dass im Oberkiefer die Zahnwurzeln in den Tränen-Nasen-Kanal einwachsen, was zu Nasen- und Augenausfluss und vermehrtem Niesen führen kann. Auch können die Zahnwurzeln in die oberen Atemwege einwachsen, was Reizungen und Atemprobleme zur Folge haben kann.  

Abb. 7: (Mit freundlicher Genehmigung der Tierklinik Germersheim) Seitliche Röntgenaufnahme des Kopfbereichs: gesundes Gebiss

Abb. 8: (Mit freundlicher Genehmigung der Tierklinik Germersheim) Seitliche Röntgenaufnahme des Kopfbereichs: retrogrades Zahnwachstum in Ober- (1) und Unterkiefer (2)

Abb. 9: (Mit freundlicher Genehmigung der Tierklinik Germersheim) Seitliche Röntgenaufnahme des Kopfbereichs: starkes retrogrades Zahnwachstum in Ober- (1) und Unterkiefer (2), Fehlstellungen der unteren Backenzähne und daraus resultierender Überlänge (3) und gebrochenem Backenzahn (4)

Verfärbte Zähne

Oft treten mit anderen Zahnproblemen auch verfärbte Schneidezähne auf. Diese Verfärbungen reichen von weißen bis zu komplett schwarzen Zähnen (Abb. 10). Ein Grund für die Verfärbung kann ein Mineralstoffmangel sein. Mitunter kann man beobachten, dass verfärbte Zähne leichter abbrechen. 

Abb. 10: schwarze Verfärbungen an ungleich abgenutzten Schneidezähnen mit Fehlstellung

Wie kann man Zahnprobleme vermeiden?

Eine zufriedenstellende und umfassende Antwort auf diese Frage gibt es derzeit leider nicht, da große Uneinigkeit darüber herrscht, worin überhaupt die Ursache von Zahnproblemen besteht. Hier können viele Aspekte eine Rolle spielen. 

Mögliche Ursachen von Zahnproblemen

Genetische Faktoren

Besteht eine genetische Veranlagung zu Zahnproblemen, kann man dagegen wenig tun. Man mag sich fragen, wie ein Zahnproblem genetisch veranlagt sein kann, sollte man doch davon ausgehen, dass in der Natur, wo Degus kein Päppelfutter oder Zahnsanierungen bekommen, Tiere mit Zahnproblemen gnadenlos ausselektiert werden. Man muss sich aber vor Augen führen, dass Degus in der Natur selten älter als zwei Jahre werden. Eine besonders hohe Sterblichkeitsrate gibt es in den ersten Lebenswochen. Ob ein Degu im Alter von einem oder zwei Jahren ein Zahnproblem entwickelt hätte, spielt überhaupt keine Rolle, wenn er vorher einem Beutegreifer zum Opfer fällt. Es gibt also nur einen sehr geringen Selektionsdruck im Bezug auf Zahnprobleme. Zudem ist davon auszu- gehen, dass alle in Europa als Haus- und Labortiere gehaltenen Degus von einer sehr kleinen Zahl von Individuen abstammen und der Genpool allgemein nicht besonders groß ist. Durch die gezielte Vermehrung hinsichtlich besonderer Merkmale, wie etwa Anfälligkeiten für bestimmte Krankheiten in Laboren oder bestimmte Fellfarben im Tierhandel, wird der Genpool zusätzlich eingeengt, was auch negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben kann. 

Die Ernährung

Da in diesem Bereich wenig geforscht wird und verlässliche Studien aufwendig und langwierig sind und eine hohe Zahl an Versuchstieren erfordern, um statistisch signifikante Ergebnisse zu erhalten, gibt es wenig wissenschaftliche Hintergründe zu diesem Thema. So werden von verschiedenen Haltern unterschiedlichste Auffassungen vertreten. Uneinigkeit herrscht beispielsweise darüber, ob sich die Zähne beim Kauen eher durch die Nahrungsbestandteile oder das Reiben der Zähne aufeinander abnutzen. Führt man sich vor Augen, dass Zahnschmelz eines der härtesten Produkte ist, das die Natur je hervorgebracht hat, erscheint es eher unrealistisch, dass er sich an einem Grashalm abnutzt. Doch kann auch hier gelten: Steter Tropfen höhlt den Stein.

Pellets: Einig ist man sich inzwischen weitestgehend darüber, dass Pellets wenig bis gar nichts für den Zahnabrieb tun und daher nicht auf den Deguspeiseplan gehören. Egal ob mit Melasse verklebt oder nur gepresst, bestehen Pellets meist aus sehr kleinen Futterbestandteilen, zerfallen beim Fressen sehr schnell, lösen sich schnell im Speichel und müssen daher wenig gekaut werden. Besser ist also eine Mischung verschiedener, nicht oder kaum zerkleinerter, Kräuter, Blüten und Blätter. 

Frischfutter: Frischfutter hat getrocknetem Futter gegenüber große Vorteile. Es ist reicher an Vitaminen und enthält viel Feuchtigkeit, sodass es im Magen nicht aufquillt und eventuell ungesunde Nährstoffe, wie Zucker weniger stark konzentriert sind. Außerdem entspricht es eher dem, was Degus in der Natur fressen würden. Gerade Degus, die bereits Zahnprobleme haben, tun sich mit Frischfutter oft leichter, da es einfacher zu kauen ist. Ob nun Frisch- oder Trockenfutter – auf eine ausgewogene Mischung kommt es an. Nicht jeder Degu mag alles, demnach sollte eine größere Auswahl an Kräutern, Blättern und Blüten angeboten werden. Degus, die Frischfutter nicht kennen, sollten langsam daran gewöhnt werden. Eine abrupte Umstellung führt häufig zu Verdauungsproblemen.

Nagemöglichkeiten: Das Gerücht, dass hartes Holz und viele Nagemöglichkeiten beim Zahnabrieb helfen und somit Zahnproblemen vorbeugen, hält sich immer noch hartnäckig. Doch da die meisten Zahnprobleme ihre Ursache bei den Backenzähnen haben, spielt das Benagen von Holz und anderer Materialien für die Zahngesundheit – wenn überhaupt – nur eine sehr untergeordnete Rolle. Natürlich sind Äste geeigneter Bäume dennoch eine wunderbare Ergänzung des Speiseplans und eine tolle Beschäftigungsmöglichkeit.

Sämereien: Während Sämereien inzwischen von den meisten Haltern als unentbehrlicher Nahrungsbestandteil angesehen werden, wird von tierärztlicher Seite wiederum die Vermutung laut, dass Sämereien maßgeblich an der Entstehung oder Verschlimmerung von Zahnproblemen beteiligt sein könnten. Anders als pflanzliche Bestandteile werden Sämereien nicht zermahlen, sondern eher zerquetscht, was zu einem axialen Druck auf die Zähne führt und zu einer Begünstigung von retrogradem Zahnwachstum führen könnte. Belastbare Studien gibt es hierzu allerdings nicht.  Ebenso wenig gibt es gesicherte Beweise dafür, dass das Calcium/Phosphat-Verhältnis der Nahrung tatsächlich eine Rolle spielt. Dennoch füttern viele Deguhalter mehr Ölsaaten als Mehlsaaten, da Ölsaaten ein günstigeres Calcium/Phosphat-Verhältnis haben. 

Abb. 11: Pellets, getrocknete Pflanzenmischung, Saatenmischung, Frischfutter (Grünlilie)

Calcium, Vitamin D und UV-Licht

Calcium ist ein wesentlicher Bestandteil des Skeletts und somit auch der Kieferknochen. Eine gute Knochensubstanz des Kiefers ist wichtig für gesunde Zähne und guten Zahnabrieb. Die Zuführung von Calcium alleine reicht allerdings nicht aus. Um Calcium in den Knochen einzulagern ist Vitamin D nötig. Dieses kann vom Körper selbst gebildet werden, allerdings braucht er hierfür UV-B Licht (einen bestimmten Unterbereich aus dem Spektrum des UV-Lichts). Die meisten Degus werden ausschließlich in Wohnräumen gehalten und bekommen wenig Sonne ab. Selbst zu Tieren, deren Käfige in Fensternähe stehen, dringt wenig UV-B Licht vor, da das Fensterglas es fast vollständig herausfiltert. Auch wenn es dafür keine Belege gibt, ist also davon auszugehen, dass Degus in Innenhaltung Probleme mit der Produktion von Vitamin D haben. 

Natürlich könnte man Vitamin D oder Calcium in Form von Präparaten künstlich zuführen, um einen möglichen Mangel auszugleichen. Ob das sinnvoll ist, muss allerdings sehr kritisch hinterfragt werden. Vitamin D ist ein fettlösliches Vitamin. Ein Überschuss wird also nicht einfach aus dem Körper gespült, wie bei den wasserlöslichen Vitaminen, sondern kann sich im Fettgewebe anreichern und schnell zu einer Überdosierung führen. Auch zu viel Calcium im Blut kann gefährlich werden (siehe Hyperkalzämie). Eine ausgewogene Ernährung ist der Gabe von Nahrungsergänzungsmitteln immer vorzuziehen. Die Gabe von Vitamin- oder Calcium-Präparaten sollte nur in Absprache mit einem Tierarzt erfolgen.

Natürlich ist es möglich, eine UV-Lampe am oder im Käfig zu installieren. (Vorsicht mit Kabeln in Käfignähe) Ob das allerdings der Vorbeugung von Zahnproblemen hilft ist bisher nicht bewiesen. Auch sollte man mit UVLampen aus der Reptilienhaltung vorsichtig sein, da sie mitunter einen sehr hohen UV-Anteil haben. 

Woran erkenne ich, dass mein Degu Zahnprobleme hat? 

Zahnprobleme frühzeitig zu erkennen ist nicht einfach. Besonders Tiere, die in sozialen Verbänden leben, versuchen möglichst lange, gesund zu wirken. In der Natur sind kranke oder verletzte Gruppenmitglieder ein Risiko und werden häufig aus der Gruppe ausgestoßen. Sich Schmerzen oder andere Beschwerden nicht anmerken zu lassen, ist also ein Instinkt der Tiere. Zudem ist die Entstehung von Zahnproblemen meist ein schleichender Prozess, weshalb Symptome oft erst als solche erkannt werden, wenn bereits massive Veränderungen vorliegen. Außerdem sind viele Symptome nicht spezifisch für Zahnprobleme. Gewichtsverlust und Inappetenz beispielsweise können bei nahezu jeder Erkrankung auftreten. Niesen kann auch auf Probleme mit den Atemwegen hindeuten und natürlich darf ein Degu auch mal ein Leckerchen vergraben, ohne dass er gleich Zahnprobleme haben muss. Die folgende Liste möglicher Symptome dient daher nur der Orientierung. Diese Symptome können, müssen aber nicht, bei Zahnproblemen auftreten.  Häufig beobachtete Symptome bei Zahnproblemen sind: 

  • vermehrtes Niesen
  • übermäßiger Speichelfluss beim Fressen oder auch wenn nicht gefressen wird (Abb. 12)
  • übermäßiges Krümeln beim Fressen
  • Verstecken und Verbuddeln von Futter und angebotener Leckerlie
  • in den Zähnen „puhlen“ (meist mit den Vorderpfoten, oft zeigt sich das auch durch verklebte Zehen und/oder Fellverlust an den Zehen)
  • plötzliches Aufreißen des Mäulchens beim Fressen ▪      Zusammenkneifen der Augen beim Fressen
  • häufiges Wischen mit den Vorderpfoten über Nase und Mäulchen
  • Gewichtsverlust
  • Selektion besonders weicher Nahrungsbestandteile 
  • langes Drehen der Nahrung in den Pfoten, bevor mit dem Fressen begonnen wird
  • langsames Fressen
  • Inappetenz 
  • Augenausfluss (Abb. 13)
Abb. 12: Zahnpatient mit starkem Speichelfluss 
Abb. 13: Degu mit starkem Augenausfluss

Wer seine Tiere gut kennt und genau beobachtet, sollte in der Regel bemerken, wenn etwas nicht stimmt. Generell empfiehlt es sich, die Tiere regelmäßig zu wiegen. Durch das plüschige Fell und den gedrungenen Körperbau fallen Gewichtsabnahmen oft erst auf der Waage auf. Entscheidend sind hier vor allem Gewichts-veränderungen, nicht die absoluten Zahlen. Bringt ein Degu beispielsweise 230 g auf die Waage, liegt er damit im Durchschnitt und hat je nach Körperbau ein gutes Gewicht. Hatte er 3 Wochen zuvor allerdings noch 280 g, dann stimmt etwas nicht. Es empfiehlt sich also, die Tiere nicht erst zu wiegen, wenn man ein Problem vermutet, sondern auch unauffällige Tiere einfach routinemäßig zu wiegen, um für jedes Tier einen individuellen Vergleichswert zu haben. (Abb. 14)

Abb. 14: Degu beim routinemäßigen Wiegen  

Ich glaube mein Degu hat Zahnprobleme, was nun? 

Wenn man ein Zahnproblem vermutet, ist ein Besuch beim Tierarzt unerlässlich. Als Halter kann man in der Regel nur die Schneidezähne begutachten und das sagt leider nicht viel aus. Wichtig ist, dass man einen kompetenten Tierarzt an der Hand hat. Kompetent muss nicht zwingend heißen, dass er sich gut mit Degus auskennt, doch Erfahrung bei der Handhabung von Kleinnagern und Erfahrung mit Zahnproblemen bei Nagern und/oder Kaninchen sind von großem Vorteil. Die Untersuchung der Backenzähne erfolgt mit einem Otoskop und ist in aller Regel ohne Narkose möglich. (Abb. 15) Natürlich gibt es auch extrem unkooperative Kandidaten. Und auch wenn ein Degu bei der Untersuchung musterhaft still hält, bleibt das Problem, dass Deguzähnchen wirklich klein und die hintersten Backenzähne sehr schwer zu beurteilen sind. In jedem Fall ist die Beurteilung des Allgemeinzustands wichtig. Aussagekräftige Röntgenbilder des Kopfbereichs sind in der Regel nur unter Narkose möglich. Hier muss gründlich abgewogen werden, ob der Informationsgewinn das Narkoserisiko wert ist.  Wenn man durch die Aussage des Tierarztes verunsichert oder von der Diagnose nicht überzeugt ist, ist es vollkommen legitim, eine zweite Meinung einzuholen. 

Abb. 15: Degu bei der Untersuchung der Backenzähne mittels Otoskop

Wie sieht die Behandlung aus?

Je nachdem, welche Zahnprobleme vorliegen, sieht die Behandlung ganz unterschiedlich aus. Liegen starke Veränderungen an den Zähnen vor, kommt man um eine umfassende Zahnsanierung unter Vollnarkose nicht herum. 

Die Narkose kann entweder mit Gas oder einer Injektion herbeigeführt werden. Was von beidem besser ist, ist ein strittiger Punkt. Die Gasnarkose ist schonender für den Kreislauf und die Tiere sind meist schneller wieder fit. Allerdings reizt das verwendete Isoflurangas die Atemwege, was zu Verschleimungen und Atemproblemen führen kann. Bei stark gestressten Tieren schlägt das Gas oft gar nicht an. Außerdem muss, je nach Durchführungsart, die Gaszufuhr zur Behandlung der Zähne mehrfach unterbrochen werden. Das bedeutet, dass die Tiere immer wieder zu sich kommen und wieder wegdämmern, was großen Stress bedeuten kann. Da die Behandlung für eine erneute Gaszufuhr immer wieder unterbrochen werden muss, verlängert sich dadurch auch die Behandlungs- und somit die Narkosedauer. Zumindest ein Teil der Komponenten einer Injektionsnarkose ist antagonisierbar, sodass das Tier nach der Behandlung durch eine zweite Spritze „aufgeweckt“ wird und die Narkose nicht ausschlafen muss. Was die Narkoseart betrifft, sollte man sich auf die Expertise des behandelnden Tierarztes verlassen. Es nutzt nichts, einen Tierarzt zur Anwendung einer Narkoseart zu drängen, mit der er keine Erfahrung hat oder mit der er sich nicht wohl fühlt. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass bei beiden Narkosearten Komplikationen auftreten können und Degus generell instabiler in Narkose sind als beispielsweise Hunde oder Katzen. Im Gegensatz zu letzteren dürfen Degus auch niemals nüchtern in Narkose gehen. Das kann zu gefährlicher Gasentwicklung im Verdauungstrakt führen. 

Sind die Zähne zu lang oder haben sie Spitzen, müssen sie entsprechend gekürzt und zugeschliffen werden. Dabei ist darauf zu achten, dass zu lange Zähne wirklich abgeschliffen und nicht mit einer Zange abgeknipst werden. Das Knipsen ist besonders bei den Schneidezähnen bei vielen Tierärzten üblich, doch es birgt die Gefahr, dass durch den entstehenden Druck der Zahn splittert, gespalten wird oder Haarrisse entstehen. 

Leider sind Zahnprobleme meist chronisch. Je nachdem, wie die Probleme aussehen und was als Ursache ausgemacht werden kann, muss ein Zahnpatient ein Leben lang regelmäßig zur Zahnsanierung. Können allerdings einzelne Zähne für das gesamte Problem verantwortlich gemacht werden, beispielsweise aufgrund einer Fehlstellung, dann kann es sinnvoll sein diese Zähne zu ziehen. Liegt allerdings ein retrogrades Zahnwachstum vor, ist das Ziehen von Zähnen meist nicht mehr möglich. Das liegt zum einen daran, dass die Zähne nicht gerade in den Kiefer wachsen, sondern verdreht oder geschwungen sein können, zum anderen ist oft nicht mehr viel Knochen vorhanden, weil die Zahnsubstanz ihn verdrängt hat. Somit kann es leicht passieren, dass der Kiefer beim Versuch, den Zahn zu ziehen, bricht, was einem Todesurteil für den Degu gleich kommt. Ist das Ziehen von „Problemzähnen“ möglich, sollte man es in Erwägung ziehen. Eventuell kann man dem Tier dadurch viele künftige Eingriffe ersparen. Oft haben Halter Angst, dass der Verlust eines Zahns dazu führt, dass sich der Gegenpart im gegenüberliegenden Kiefer nicht mehr richtig abnutzt. Diese Befürchtung ist in der Regel unbegründet. Das Kiefergelenk eines Degus funktioniert nicht wie ein Scharnier, das auf und zu klappt und jeden Zahn auf einen anderen fügt. Viel mehr werden die Kiefer beim Zermahlen der Nahrung gegeneinander verschoben, sodass jeder Zahn auf mehreren gegenüberliegenden Zähnen reibt. Der Gegenspieler eines fehlenden Zahns kann also durch die benachbarten Zähne immer noch ausreichend abgenutzt werden. Problematisch kann es werden, wenn der fehlende Zahn ein randständiger Backenzahn oder einer der Schneidezähne ist. Dann kann es vorkommen, dass die Abnutzung nicht mehr gewährleistet ist. 

Wenn Zähne vereitert oder stark gelockert sind, dann bleibt meist nichts anderes übrig als die betroffenen Zähne zu ziehen. Wird das Gewebe, das die Zahnsubstanz bildet dabei nicht verletzt, wächst möglicherweise ein neuer Zahn nach. Möchte man das verhindern (zum Beispiel wenn ein Zahn mit Fehlstellung endgültig entfernt werden soll), muss das Gewebe entsprechend zerstört werden. Ist das Gewebe nur noch teilweise intakt, wächst mitunter kein gesunder Zahn nach, sondern eine unstrukturierte Zahnschmelzmasse. 

Liegt ein Abszess an den Schleimhäuten vor, muss er entweder geöffnet oder mit Medikamenten behandelt werden (eventuell auch beides). Bei einem Abszess am Kiefer gestaltet sich die Behandlung schwieriger. Auch hier muss der angesammelte Eiter abgelassen werden, die Wunde muss offen gehalten und wiederholt gespült werden, sodass der Abszess von innen heraus abheilen kann. Andernfalls riskiert man Eiterverkapselungen, die später Probleme machen. Hat ein Kieferabszess den Knochen schon sehr stark angegriffen oder gar vollständig aufgelöst, bleibt nur noch die Euthanasie des Tieres (Abb. 4). 

Bereits vorhandene Veränderungen an den Zahnwurzeln lassen sich leider nicht behandeln. Allerdings lässt sich durch regelmäßige Kontrollen und Behandlungen eine Verschlechterung oft deutlich verlangsamen. 

Der Alltag mit einem Zahnpatienten

Abgesehen von den sehr seltenen Fällen, in denen einem Zahnpatienten durch einen einzigen Eingriff dauerhaft geholfen werden kann und den leider weniger seltenen Fällen, in denen einem Zahnpatienten gar nicht mehr geholfen werden kann, sind Zahnprobleme chronisch und beschäftigen Degu und Halter ein Deguleben lang. Aber auch wenn die Diagnose „Zahnproblem“ zunächst erschreckend ist, ist die Pflege eines zahnkranken Degus oft viel leichter in den Alltag zu integrieren als angenommen. Selbst unkooperative oder scheue Tiere zeigen meist sehr schnell eine Gewöhnung und Akzeptanz gegenüber regelmäßigen Tierarztbesuchen, Medikamentengaben und Zwangsfütterungen. Sind Degus erst auf den Geschmack gekommen, klappt das Zufüttern mit der Spritze oft unerwartet gut und nicht selten wird der Brei durch den routinierten Zahnpatienten regelrecht eingefordert. (Abb. 16 und 17)

Abb. 16: Zahnpatient bei der Spritzenfütterung mit Päppelbrei

Auch die Befürchtung, dass ein Tier durch häufige Behandlungen extrem gestresst oder verstört wird, bewahrheitet sich selten. Häufig entsteht durch die intensive Pflege sogar eine ganz besondere Bindung zwischen Degu und Besitzer. Natürlich wünscht sich niemand eine chronische Erkrankung für sein Tier, doch bei guter Pflege können auch Zahnpatienten ein hohes Alter erreichen und ein lebenswertes Leben führen. 

Abb. 17: 8 Jahre alte Zahnpatientin mit Päppelbrei

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