Degus sind soziale Tiere, die in ihrer natürlichen Umgebung in Familienverbänden leben und in der Heimtierhaltung mindestens ein Partnertier benötigen. Ein facettenreicheres Miteinander und eine vielfältigere Lautsprache zeigen die Tiere aber beim Zusammenleben mit mehreren Artgenossen. Viele Deguhalter kommen irgendwann an den Punkt, dass ein Degu allein bleibt oder droht, alleine zu bleiben.
Dieses Infoblatt möchte kurz häufige Gründe, die dazu führen können, dass ein Tier alleine ist, benennen, mögliche Reaktionen der Degus auf diese Situation beschreiben und auf die Optionen, die einem Deguhalter bleiben, eingehen.
Welche Gründe für Einzeltiere gibt es?
- Versterben der restlichen Gruppenmitglieder. Dies kann theoretisch alle Altersklassen betreffen, wobei bei jüngeren Degus oft Erkrankungen (v.a. der Zähne und des Stoffwechsels) oder auch Unfälle dafür verantwortlich sind.
- Abtrennung eines Tieres aus einer Gruppe aufgrund ursprünglich falscher Geschlechterbestimmung.
- Scheitern einer geplanten Vergesellschaftung oder endgültiges Zerfallen einer Gruppe infolge eines Vergesellschaftungsversuchs. Endgültig heißt in diesem Fall, dass auch sorgfältig geplante und durchgeführte Versuche einer Wiedervergesellschaftung nicht erfolgreich waren.
- Heftige Auseinandersetzungen innerhalb einer Gruppe, die zum Verstoßen eines Tieres führen.
Welche Reaktionen kann der Halter beobachten?
So vielfältig wie die Gründe sind, so vielfältig sind auch die Reaktionen der Tiere. Der Halter muss seinen Degu sehr gut beobachten, um im Notfall schnell reagieren zu können. Es ist sinnvoll, spätestens jetzt regelmäßige Gewichtskontrollen durchzuführen.
Es gibt Degus, die durch den Verlust ihres Partners in eine starke Trauer verfallen. Sie fressen weniger oder stellen die Nahrungsaufnahme komplett ein, nehmen folglich ab, ziehen sich zurück und werden apathisch. Natürlich muss man medizinische Probleme wie
Infekte, Zahnfehlstellungen oder Parasiten abklären und als Ursachen ausschließen lassen. Wird dabei jedoch nichts gefunden, liegt es nahe, dass psychische Ursachen zugrunde liegen.
Gibt sich ein Degu aufgrund von Trauer selbst auf, muss sehr schnell reagiert werden, um ein Versterben dieses Tieres zu verhindern.
Manche Degus werden auch zutraulicher, lassen sich plötzlich kraulen und suchen die Nähe vom Menschen. Es kann auch vorkommen, dass der Halter oder auch Besucher angezwitschert werden. Dabei sollte man bedenken, dass ein Mensch NIEMALS ein Partnertier ersetzen und auch dieses Verhalten ein Zeichen dafür sein kann, dass dringend ein Partner gesucht werden sollte. So schön es auch für den Menschen sein mag, einen zutraulichen Degu zu haben, sollte man ihn nicht aus reinem Egoismus einzeln halten und leiden lassen.
Ein Degu, der vorher durch dominante Partner unterdrückt wurde, kann auch aufblühen und plötzlich ganz andere, entspanntere Verhaltensweisen zeigen.
Dann gibt es Degus, die scheuer werden, sich zurückziehen und plötzlich verschreckt wirken, weil sie den Schutz der Gruppe oder des souveränen Partners vermissen. Sie ändern ihr Verhalten dem Menschen gegenüber und erschrecken bei Geräuschen, die sie bislang völlig normal um sich gehabt hatten. Dieses Verhalten kann bei ohnehin schon scheuen Degus durch das Alleinsein noch ausgeprägter ausfallen. Es kann im Übrigen auch bei Gruppen nach dem Tod einer starken Führungspersönlichkeit beobachtet werden.
Schließlich gibt es auch Degus, denen man die Einsamkeit überhaupt nicht anmerkt, die ihren Halter auch weiterhin nicht als Ersatz für tierische Gesellschaft ansehen. Diese Tiere gehen ihrem gewöhnlichen Tagesgeschäft nach, fressen normal und sind auch ansonsten unauffällig. Doch auch für diese Tiere muss ein passender Deckel gesucht werden, um ihnen ein degutypisches Verhalten wie gegenseitiges Putzen, Zwitschern und entspanntes Chillen neben- oder übereinander zu bieten.
Wer sein Tier genau beobachtet, wird schnell merken, dass es oft winzige Kleinigkeiten sind, die Anzeichen dafür sein können, dass ein Degu unter dem Alleinsein leidet. Ein Degu ist nur wirklich glücklich, wenn er passende Partner hat und gemeinsam mit ihnen sein facettenreiches Sozialverhalten leben kann.
Welche Möglichkeiten stehen dem Halter mit einem Einzeltier zur Verfügung?
Der Halter behält das Tier und sucht nach passender Gesellschaft. Das kann entweder bereits geschehen, wenn noch zwei Tiere vorhanden sind, aber abzusehen ist, dass eins bald stirbt. Oder die Suche beginnt bzw. wird intensiviert, wenn das letzte Tier alleine ist. Neben dem richtigen Geschlecht und Alter sollten auch die Charaktere der Tiere sowie ihr Aktivitätenlevel zueinander passen. Je genauer man sein Tier, insbesondere sein Verhalten anderen Degus gegenüber kennt, desto besser kann man einschätzen, ob ein potentieller Partner wirklich in Frage kommt.
Möchte man die Deguhaltung beenden, bleibt nur die Suche nach einem neuen, passenden Zuhause. Auch hier gilt es darauf zu achten, dass Geschlecht, Alter und Charaktere der neuen Partner möglichst passend sind.
Sind mehrere Vergesellschaftungsversuche eines Männchens mit anderen Männchen gescheitert und ist das Tier noch jung und fit genug – ab ca. 4-5 Jahren sollte man sich diesen Schritt zusammen mit dem Tierarzt sehr genau überlegen – kann auch eine Kastration bei einem erfahrenen Tierarzt und anschließende Vergesellschaftung mit Weibchen (nach Ablauf der Kastrationsquarantäne) in Frage kommen. Auch bei Unfallwürfen mit ausschließlich weiblichen Babys könnte eine Kastration eine Möglichkeit sein, um den Vater mit seiner Familie wiederzuvereinigen. In der Regel besteht ein Wurf aber aus mehreren Weibchen und Männchen, so dass in diesem Fall eine Vergesellschaftung vom Vater mit seinen Söhnen vorzuziehen ist.
Eine Kastration sollte in keinem Fall vorschnell in Betracht gezogen werden. Neben der Narkose stellen auch postoperative Komplikationen (Aufbeißen/ Aufreißen der Naht, Infektionen, Futterverweigerung, u.a.) ein Risiko dar.
Wer noch weitere Degus hat, kann vorrübergehend probieren, das Einzeltier ans Trenngitter zu setzen; auch ohne Absicht einer Vergesellschaftung. Für das Einzeltier bedeutet das Vorhandensein von Artgenossen in Riech-, Sicht- und Hörweite Sicherheit, und so mancher Degu blüht schon allein dadurch wieder auf. Dabei ist aber darauf zu achten, dass es in der Gruppe nicht zu Aggressionen untereinander kommt. Sollte dies der Fall sein, muss der Kontakt unterbrochen werden, um ein Zerfallen der Gruppe zu verhindern.
Schwierig ist die Entscheidung bei einem alten, kranken Tier (beispielsweise mit einem schnellwachsenden Tumor) mit einer begrenzten Restlebenszeit. Auch wenn nach Möglichkeit kein Tier einsam sterben sollte, muss in so einem Fall geschaut werden – u.U. zusammen mit dem Tierarzt -, was das Beste für das Tier sein könnte. Es gibt kein allgemeingültiges Vorgehen. Ein Umzug in eine neue Umgebung, die Fahrt, der neue Käfig und die neuen Tiere bedeuten Stress. Dieser könnte bei einem geschwächten Tier schon zu viel sein.
Der Einzug fremder Degus an ein Trenngitter bedeutet ebenfalls Aufregung.
Das Verbleiben in der vertrauten Umgebung, aber ohne Gesellschaft von Artgenossen, könnte ebenfalls dazu führen, dass der Degu schneller abbaut. Genauso gut ist es in allen Fällen auch möglich, dass das Einzeltier wieder an Lebensqualität, was sich auf seine Lebenserwartung auswirkt, gewinnt.
Die Entscheidung, die letztlich getroffen wird, muss stets das Wohlergehen des Tieres zum Ziel haben. Das persönliche Empfinden des Halters, beispielsweise die Trauer durch die Abgabe, darf nicht darüber gestellt werden. Wer sein Tier liebt, lässt es los in eine neue Gruppe zu Artgenossen. Der Trennungsschmerz ist spätestens vergessen, wenn man vom neuen Halter ein Foto vom Kuschelhaufen bekommt.
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